Der Kürbis

In der Familie der Kürbisse müssen wir zunächst zwischen Sommer- und Winterkürbissen unterscheiden. Die Sommerkürbisse sind besser als Zucchini bekannt und besitzen im Vergleich zu den Winterkürbissen weniger wertvolle Eigenschaften. In diesem Artikel soll es nur um die verschiedenen Sorten von Winterkürbissen gehen, die vor kurzem wie jedes Jahr wieder zu Halloween ihren großen Auftritt gehabt haben. Winterkürbisse sind ja – jedenfalls in meinem Sprachgebrauch – immer gemeint, wenn von Kürbissen die Rede ist. In China wird außerdem der Bitterkürbis gegessen (auch bekannt als Bittermelone, Momordica charantia), ein echtes Erlebnis für alle Fans des bitteren Geschmacks und ein Nahrungsmittel mit sehr wertvollen therapeutischen Eigenschaften, aber geschmacklich und von den Wirkungen her eher mit einer sehr, sehr bitteren Gurke zu vergleichen.

Der Kürbis tonisiert das Qi, hat einem süßen Geschmack und einen direkten Bezug zu den beiden Funktionskreisen der Mitte, Magen und Milz. Mit diesen Eigenschaften ist der Kürbis unter den Gemüsen ein Außenseiter, nur wenige andere Arten wie Kartoffel oder Yams leisten ihm Gesellschaft. Dank seiner Fähigkeit, die Mitte zu stärken, wird der Winterkürbis in der chinesischen Ernährungslehre bei Müdigkeit, körperlicher Schwäche oder Unterernährung eingesetzt, ebenso recht unspezifisch bei Verdauungsstörungen, die auf einer Schwäche von Milz und Magen beruhen. Als eine wertvolle Hilfe wird der Kürbis auch in der Regulierung des Blutzuckerspiegels betrachtet, weshalb er bei Diabetes regelmäßig verzehrt werden sollte. Von manchen zeitgenössischen Autoren wird dem Kürbis darüber hinaus die Fähigkeit zugeschrieben, Feuchtigkeit aufzulösen oder auszuleiten, eine Indikation, die ich für nicht korrekt halte. Ganz im Gegenteil wird in den chinesischen Beschreibungen darauf hingewiesen, dass der Kürbis in großen Mengen zu einer Blockade des Qi im Bauchraum führen kann und zur Ansammlung von Feuchtigkeit. Man merkt dies dann an einem Völlegefühl, Zwicken oder gar leichten Schmerzen, die vor allem den unteren Bauch betreffen. Diese Eigenschaften hat der Kürbis übrigens mit der Kartoffel gemeinsam. Es handelt sich hierbei also zwar um Qi-Tonika, aber sie sind dennoch irgendwie „klebrig“ und daher nicht vergleichbar mit den meisten Getreidesorten und Hülsenfrüchten und deren klarer, stärkender Wirkung. Besser als Kombinationen von Kürbis mit Kartoffeln, Kastanien, Sahne oder anderen schweren Nahrungsmitteln sind also solche mit Kräutern oder Gewürzen, die das Qi bewegen, zum Beispiel Zwiebel, Knoblauch, Rosmarin, Kurkuma, Curry oder Zitrusschalen.

Weitere sehr wertvolle Wirkungen entwickelt der Kürbis im Funktionskreis Lunge. Hier wird er in der chinesischen Ernährungslehre eingesetzt, um Schleim auszuleiten, also immer dann, wenn die Atemwege verlegt sind und es einen „fetten“ Husten mit Auswurf gibt. Der Kürbis hilft im Übrigen auch dabei, den Husten zu besänftigen, also in den Worten der TCM das nach oben rebellierende Lungen-Qi wieder nach unten zu lenken. Deshalb ist der Kürbis auch dann nützlich, wenn Husten, Atembeschwerden oder auch Asthma ohne viel Schleim auftreten. Traditionell wird der Kürbis vor allem dann empfohlen, wenn der ausgehustete Auswurf Eiter enthält, denn er kann neben dem Schleim auch Eiter aus dem Funktionskreis Lunge entfernen. Eiter ist ein Zeichen für Hitze bzw. toxische Hitze und der Kürbis besitzt trotz seiner wärmenden thermischen Eigenschaften die Fähigkeit, diese Hitze zu klären. Aus der Sicht der Biomedizin entspricht dies einer entzündungshemmenden Wirkung, für die der Kürbis ganz nach der Logik der TCM allerdings besser roh verwendet werden sollte. Aus demselben Grund lindert ein Brei oder Saft aus rohem Kürbis bei äußerlicher Anwendung Verbrennungen der Haut.

Zwei weitere Bereiche gibt es, in denen der Kürbis sich hervortut, doch in beiden stehlen die Kürbiskerne ihm die Show. In anderen Worten: in beiden Indikationen ist der Kürbis wirksam, doch Kürbiskerne haben eine noch stärkere und gezieltere Wirksamkeit. Kürbiskerne sind übrigens in der Chinesischen Medizin unter dem Namen nan gua zi als Heilkraut bekannt. Ihre wichtigste Indikation ist die Bekämpfung von Darmparasiten. Hierfür werden Kürbiskerne oft in Kombination mit anderen Kräutern oder Maßnahmen (z.B. Einläufen, Fastentagen oder Abführmitteln) eingesetzt, bisweilen aber auch als Einzelmittel. Kürbiskerne lähmen Band- und Spulwürmer, die daraufhin ausgeschieden werden können. Die Mengen, die bei einer Wurmkur zum Einsatz kommen, sind keine geringen (angegeben werden zum Beispiel 60-120 g täglich für Bandwürmer), allerdings handelt es sich hier um ein sehr sicheres Mittel, praktisch ohne mögliche Nebenwirkungen. In etwa nimmt man während einer Wurmkur also dreimal täglich eine Handvoll Kürbiskerne zu sich und dies über mehrere Wochen. In China werden Kürbiskerne in noch größeren Mengen sogar im Frühstadium der Bilharziose eingesetzt, eine Indikation, die wir in Europa zum Glück nicht brauchen.

Eine weitere Wirkung der Kürbiskerne (und etwas vermindert auch der Kürbisse selbst) ist die Kräftigung des Funktionskreises Blase. Aus biomedizinischer Sicht sind sie nützlich gegen eine Blasenentzündung, eine Reizblase, ebenso wie bei einer gutartigen Vergrößerung der Prostata. Hier sind die Kürbiskerne vor allem deshalb sehr wertvoll, weil es nur sehr wenige Nahrungsmittel gibt, die eine vergleichbare Wirkung in diesem Bereich besitzen. Da die Wirkstoffe der Kürbiskerne wasserlöslich sind, könnten sie übrigens auch als Abkochung verwendet werden, wäre es nicht so schade um diese leckeren kleinen Dinger.

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