In dem Artikel über die Kälte habe ich bereits angesprochen, dass scharfe und wärmende Nahrungsmittel wie Gewürze, Küchenkräuter oder Alkohol, zwar dafür eingesetzt werden können, äußere Kälte abzuwehren, aber nicht genügen, um ein geschwächtes Yang wieder zu stärken. All diese Nahrungsmittel bewegen das Qi und bringen es an die Körperoberfläche, wodurch ein angenehmes Wärmegefühl entsteht und das Eindringen von äußerer Kälte verhindert werden kann. Langfristig aber geht dem Körper dadurch sehr viel Energie und Wärme verloren, was vor allem bei einem Yang-Mangel unbedingt vermieden werden muss.
Was also tun, um ein schwächelndes Yang aufzubauen? Wie kann sich jemand, der immer fröstelt, von innen her wärmen? Ganz einfach ist es nicht und vor allem brauchen wir dafür etwas mehr Zeit und Geduld. Versuchen wir es mit einer Art Grundrezept, einem Modell für die perfekte Yang-stärkende Speise. Unsere Modell-Speise sollte möglichst immer enthalten:
– etwas um das Qi zu stärken, die
Bodentruppe des Yang
Das Yang kann nicht gekräftigt werden, wenn nicht gleichzeitig auch das Qi
stärker wird. Das Qi ist sozusagen der Handlanger des Yang. Das Yang stärken zu
wollen ohne zugleich das Qi aufzubauen, käme dem Versuch gleich, ein Haus zu
bauen und dabei im ersten Stockwerk zu beginnen.
Für den Qi-Aufbau können wir sehr gut Getreide und Hülsenfrüchte einsetzen und
mit Richtung auf das Yang werden es vor allem die wärmenden oder wenigstens
neutralen Sorten sein, wie Dinkel, Polenta, Quinoa, Linsen oder Bohnen. Bei der
richtigen Korrektur durch wärmende Zutaten und/oder Kochmethoden können aber
ruhig auch ab und zu kühlende Sorten zum Zug kommen, wie Hirse, Gerste,
Amarant, Tofu oder Erbsen. Ebenso geeignet sind natürlich kohlenhydrathaltige
Gemüse wie Kartoffel oder Kürbis und kleine Mengen von Nahrungsmitteln
tierischen Ursprungs, also vor allem Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte. Völlig
unvereinbar mit dem Stärken von Qi und Yang sind hypokalorische Diäten, sprich
Diäten, die weniger Kalorien zuführen, als der Körper benötigt. Wer Qi und Yang
stärken will, muss unbedingt satt werden.
– etwas um das Yang selbst zu
stärken, und zwar von der Wurzel her
Die Nahrungsmittel, welche nach der TCM im Stande sind das Yang zu stärken,
stammen zum Großteil von Tieren. Besonders hervorzuheben sind wärmende
Fleischsorten wie Hirsch, Lamm, Kitz, Huhn oder Rind, Innereien, Fische wie
Sardine, Makrele und Forelle, alle Krustentiere, Miesmuscheln und
Jakobsmuscheln. Für Vegetarier und Veganer ist es vergleichsweise schwieriger,
das Yang zu tonisieren. Sie müssen verstärkt auf Walnüsse, Pistazien und
Pinienkerne setzten, ebenso auf Quinoa und schwarze Bohnen. Auch Zwiebelgemüse,
viele verschiedene Küchenkräuter und Gewürze
tonisieren das Yang und erhalten so für Menschen, die auf tierische
Nahrungsmittel verzichten, eine zentrale Rolle in der Ernährung. Dank ihrer
zerstreuenden und stark wärmenden Eigenschaften finden wir die zuletzt
genannten Nahrungsmittel auch in der nächsten Gruppe wieder.
– etwas um zu dynamisieren und zu
wärmen, also um dem Yang ordentlich einzuheizen und es aus der Reserve zu
locken
Die Nahrungsmittel dieser Gruppe haben durchwegs einen scharfen Geschmack und
eine warme bis heiße thermische Wirkung. Sie bringen das Qi in Bewegung und
führen es vermehrt nach oben und außen, also an die Körperoberfläche. Dadurch
entsteht das angenehme Wärmegefühl, das wir im Winter alle schätzen. Das Qi im
Inneren zu sammeln ist für einen ausgekühlten Organismus allerdings eine Art
Schutzmechanismus, in kritischen Situationen durchaus überlebensnotwendig. Die
scharf-wärmenden Mittel dieser Gruppe bringen den Organismus dazu, diese
Sparmaßnahmen fallen zu lassen und sich dadurch vielleicht mehr auszupowern,
als es gut ist. Bei einem starken Yang-Mangel dürfen die Mittel dieser Gruppe
deshalb nicht im Übermaß eingesetzt werden. Zu ihnen gehören alle
Zwiebelgemüse, Küchenkräuter wie Thymian, Rosmarin, Schnittlauch, Petersilie
und Basilikum, sowie ein großer Teil aller Gewürze, allen voran Ingwer, Zimt,
Chili, Muskatnuss, Nelke, Fenchelsamen, Wacholder, Kapern und Senf, außerdem
alkoholische Getränke vom Rotwein aufwärts.
– etwas um die entstandene Wärme
und Dynamik im Körperinneren zu halten oder nach unten zu führen
Die Nahrungsmittel diese Gruppe würden wir wohl nicht mit einem Yang-Aufbau in
Verbindung bringen. Dennoch sind sie ein sehr wichtiger Teil unserer
Modell-Speise. Sie gleichen die nach außen und oben gerichteten Kräfte der
scharfen Zutaten aus und verankern die frei gewordene Wärme und Dynamik im
Körperinneren. Dadurch verhindern sie einen übermäßigen Verlust an Wärme nach
außen hin und bringen das Yang dorthin, wo es gebraucht wird. Für diese Aufgabe
in Frage kommen sehr unterschiedliche Nahrungsmittel. Saure Nahrungsmittel wie
frisches oder getrocknetes Obst helfen dabei, das durch den scharfen Geschmack
ausgelöste Schwitzen einzudämmen. „Schwere“ und befeuchtende Nahrungsmittel, wie Honig, Nüsse
oder Ölsamen, senken das Qi ab und verhindern, dass das gestärkte Yang nach
oben schlägt. Salzige Nahrungsmittel, wie Miso, Algen oder Kastanien, lenken
die Wirkung zum Funktionskreis Niere und bringen Dynamik und Wärme damit in
direkte Verbindung mit dem Nieren-Yang.
Soweit die Theorie, und nun schauen wir uns ein paar beispielhafte Rezepte an.
Crostini mit Nuss-Miso-Creme
(aus unserer Rezeptesammlung Il tao e l’arte dei fornelli)
100 g ausgelöste Walnüsse
1 EL Gersten-Miso (eher mild)
1 EL Olivenöl
1 Scheibchen Knoblauch
1 EL gehackte Petersilie
2 EL Wasser oder Brühe
Crostini oder geröstetes Weißbrot zum Bestreichen
Alle Zutaten zusammen mixen. Fertig. Schmeckt zu Nudeln oder Getreide oder als antipasto auf Crostini.
In diesem Rezept wird das Qi von den Crostini tonisiert. Die Walnüsse tonisieren das Yang, Knoblauch und Petersilie bewegen und wärmen, der Miso und die Walnüsse bringen Qi und Yang nach unten und zu den Nieren.
Quinoasuppe mit Curry und Kokosmilch
1 kleiner Lauch
1-2 Karotten
100 g Erbsenschoten oder Strauchbohnen
100 ml Kokosmilch
70 g Quinoa
Ghee oder Olivenöl
1-2 TL Curry
½ l Gemüsebrühe
Salz
Den klein geschnittenen Lauch in wenig Fett sanft dünsten, das Curry dazu geben und kurz wärmen, bis es duftet. Dann das Quinoa und zum Schluss die etwas zerkleinerten Gemüse in den Topf geben. Mit Gemüsebrühe und der Kokosmilch aufgießen, bis alles bedeckt ist. Auf kleiner Flamme 20 Minuten köcheln lassen, eventuell noch Flüssigkeit zugeben. Zum Schluss nach Geschmack mit Salz und Curry abschmecken.
Die Quinoa stärkt Qi und Yang, Lauch und Curry wärmen und bewegen und kräftigen zudem das Yang. Die Kokosmilch verankert das Qi durch ihre süße Schwere.
Kürbis aus dem Ofen mit Rosmarin und Orange
(Rezept frei nach Nigel Slater)
½ kg Kürbis (festes Fruchtfleisch, z.B. Butternut, Romana, auch Hokkaido)
1 EL Rosmarinnadeln, klein geschnitten
1-2 Knoblauchzehen
½ Orange, abgeriebene Schale und Saft
1 Tasse grobe Semmelbrösel vom Inneren einer altbackenen Semmel
Salz und Olivenöl
Den Kürbis schälen und in 1 cm dicke Streifen oder Stücke schneiden, auf einem geölten Backblech oder einer feuerfesten Form verteilen, gut salzen und mit dem Orangensaft beträufeln. Den Knoblauch fein schneiden und in etwas Olivenöl anbraten, den Rosmarin dazu geben und kurz wärmen. Schließlich die Brotbrösel und die Orangenschale darunter rühren, eventuell noch etwas Olivenöl zugeben, damit die Brotbrösel ein wenig Öl aufsaugen können. Die Bröselmischung über dem Kürbis verteilen und alles bei 200° in das vorgeheizte Rohr schieben. Nach ca. 20 Minuten herausholen, wenn der Kürbis weich ist (zur Probe mit einer Gabel einstechen).
Lamm mit Pflaumen und Mandeln
½ kg Lammfleisch ohne Knochen (falls Knochen da sind nicht wegschmeißen, sondern mitkochen)
1 Zwiebel
1 Knoblauchzehe
1 TL getrockneter Ingwer
1 Briefchen Safran, in etwas Wasser eingeweicht, oder die entsprechende Menge Fäden
½ TL Zimt
¼ TL Pfeffer, frisch gemahlen
1 Zimtstange
1 EL Honig
6-7 getrocknete Pflaumen, 1 Stunde in lauwarmem Wasser eingeweicht
100 g geschälte Mandeln
Salz und Olivenöl
Das Lammfleisch waschen und abtrocknen, dann in 3-4 cm große Stücke schneiden. Die Zwiebel in Ringe schneiden und den Knoblauch grob zerkleinern. Das Fleisch in etwas Olivenöl scharf anbraten, dann Zwiebel und Knoblauch zugeben und ebenfalls anbraten. Die Gewürze (außer der Zimtstange) unterrühren und kurz mitbraten. Mit lauwarmem Wasser aufgießen, sodass das Fleisch fast ganz bedeckt ist. Aufkochen lassen, etwas salzen und auf niedrigster Flamme zugedeckt mindestens 60 Minuten lang ganz leicht köcheln lassen.
Nach dieser Zeit das Fleisch herausnehmen (sofern es schon weich ist), die Pflaumen ohne Einweichwasser dazu geben, ebenso den Honig und die Zimtstange. Den Saft ohne Deckel 20-30 Minuten lang einkochen lassen, dann das Fleisch wieder dazugeben und nochmals kurz warm werden lassen. Mit Salz abschmecken und mit Fladenbrot servieren (eventuell passt auch Reis dazu). In diesem marokkanischen Lammeintopf stärkt das Lammfleisch Qi und vor allem Yang. Die vielen Gewürze sorgen für Wärme und Dynamik, welche durch Honig, Pflaumen und Mandeln verankert werden.
Danke, für diesen sehr guten Beitrag. Es ist wirklich super und sehr verständlich geschrieben!